Reflexion


Für die erste Abiturprüfung Ostern 1947 in Hamburg mussten alle Schülerinnen und Schüler Aufsätze über die Zeit des Nationalsozialismus schreiben. Die Schulbehörde archivierte sie mit der Absicht, einen Sammelband zur „Psychologie der Jugend unserer Zeit“ zu veröffentlichen. Dazu kam es nie. Doch die Aufsätze gehören zu den wenigen ehrlichen Selbstzeugnissen dieser Generation.

1946 klagte der Schulleiter der wissenschaftlichen Oberschule Wilhelmsburg:„Wir stehen auch sittlich auf einem Trümmerfelde. Entsetzen erregend ist der Zustand der Jugend, die den totalen Machtansprüchen des Staates zufolge dem ‚verweichlichenden’ Einfluß der älteren, noch kulturtragenden Generationen der Eltern und Lehrer entzogen und zum totalen Werkzeug der Gewalt erniedrigt wurde. Fleischerknechtideal! Das System ist zusammengebrochen; die Jugend steht da: ehrfurchtlos, erosverlassen, hilflos und verwirrt.“

Am Anfang war Begeisterung: Jungen der Hitlerjugend, eingegliedert "in die breiten Reihen der Braunhemden“

Im etwa 50.000 Einwohner zählenden Wilhelmsburg machten jährlich in den 1930er Jahren 20 bis 25 Jugendliche das Abitur. Viele von ihnen hatten Führungsrollen in der Hitlerjugend (HJ) und im Bund Deutscher Mädel (BDM) inne. Einige waren als Luftwaffenhelfer am Wilhelmsburger Flakbunker und auf anderen Flakstationen tätig. Sie waren nationalsozialistisch erzogen und geprägt- eine Jugendgeneration, an die die Nationalsozialisten besondere Erwartungen gestellt hatten.

Heutige Wilhelmsburger Jugendliche bilden eine große Vielfalt aus über 35 Herkunftsländern. Die Vergangenheit des Flakbunkers war für sie völlig unbekannt. Gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg haben Schülergruppen die Zeit der Bunkerumwandlung genutzt für Entdeckungstouren in die Geschichte des „Klotzes im Park“. Sie erkundeten die Bunkeranlage, befragten Zeitzeugen und untersuchten in Theaterprojekten, Lesungen, Ausstellungen und Straßenaktionen, was Kindheit im Zweiten Weltkrieg bedeutet hat. Sie zeigten, wie sie heute den monumentalen Bunker sehen und was sie aus ihm machen würden, wenn sie die Bauherren wären. Jeden Sommer von 2009 bis 2012 präsentierten sie ihre Spurensuche im Park vor dem Bunker. „Klotz im Park“ lockte viele Besucher an. Die Generation der letzten Zeitzeugen traf im Schatten des Bunkers auf Jugendliche, die – mit dem Wissen über diese Geschichte der Gewalt ausgerüstet -sich eine Zukunft ohne Krieg wünschen.